Die Pusterer Buben · Eine Südtiroler Heimatgeschichte by Duregger Verena

Die Pusterer Buben · Eine Südtiroler Heimatgeschichte by Duregger Verena

Autor:Duregger, Verena [Duregger, Verena]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman-Heimat
ISBN: 9783813505238
Herausgeber: Knaus, Albrecht Verlag
veröffentlicht: 2014-04-29T00:00:00+00:00


48 Dreifacher Dank.

Zu Beginn des Jahres 1963 waren Italien und Österreich weit von einem »freundschaftlichen Verhältnis« entfernt, die Südtirolproblematik ließ sich mit einer Absichtserklärung nicht lösen. Immer wieder schlugen die Wellen auf beiden Seiten hoch. Weil Landeshauptmann Silvius Magnago in der Neunzehner-Kommission die Unversetzbarkeit von Südtiroler Staatsbeamten gefordert hatte, warf ihm die Turiner Zeitung La Stampa »blinden Konservatismus« vor. Das wiederum bewog den ehemaligen österreichischen Staatssekretär Franz Gschnitzer Anfang Januar zu folgender Stellungnahme: »Die reale Lage in Südtirol ist durch ein erschreckendes Missverhältnis im sozialen Gefüge gekennzeichnet. Während im Jahre 1910 21,2 Prozent der Südtiroler ihr Einkommen aus der Tätigkeit in öffentlichen Diensten, in freien Berufen, im Kreditwesen und im Klerus bezogen, waren 1951 nur 7,1 Prozent der 240.000 Südtiroler, aber 52 Prozent der nach Südtirol eingewanderten Italiener in diesen Sparten beschäftigt. […] Es gibt sechs deutschsprachige Richter in Südtirol; keinen einzigen deutschsprachigen Staatsanwalt, ja, keinen einzigen Staatsanwalt, der die deutsche Sprache beherrscht. […] Erst im Sommer 1961, als man im Gefolge der Sprengstoffattentate über hundert Südtiroler verhaftete, wurden zwei Untersuchungsrichter, die Deutsch können, an das Landesgericht Bozen versetzt. Der Ausbruch ernster Unruhen in Südtirol hat also erst Maßnahmen bewirkt, deren rechtzeitiger Erlass wahrscheinlich dazu beigetragen hätte, diese Unruhen zu verhindern.«

Und der amtierende Staatssekretär Ludwig Steiner schrieb in der Wiener Tageszeitung Die Presse: »Die Südtirolpolitik tritt in einen entscheidenden Abschnitt. Es muss in der nächsten Zeit gelingen, die Tore für eine gerechte Regelung des Südtirolproblems weit zu öffnen. Gelingt dies nicht, müsste dann nicht die Hoffnung, diese Probleme mit den bisherigen Methoden zu lösen, als gescheitert betrachtet werden?«

Ein erster Lichtblick schien sich Mitte Januar anzudeuten. Wegen der Misshandlungen von Südtiroler Häftlingen brachte der Trienter Oberstaatsanwalt eine Anklageschrift gegen 10 Mitglieder der italienischen Polizei auf den Weg.

Heinrich Oberleiter wurde Anfang Februar 1963 wegen einer Erkrankung vorzeitig aus dem Militärdienst entlassen. Seine Erlebnisse beim Militär hatten ihn in seinen politischen Anschauungen bestärkt. Mehr denn je war er überzeugt, Südtirol müsse »weg von diesem Staat«. Die Unkenntnis selbst vieler Offiziere über die Vorgänge im Norden des Landes, ja allein schon über die Tatsache, dass es auf italienischem Staatsgebiet deutsche Muttersprachler gab, hatte ihn schockiert. Wenn selbst führende Militärs so ignorant waren, was wollte man da von einem einfachen Soldaten oder Polizisten erwarten, der aus irgendeinem Dorf in Sizilien nach Südtirol versetzt worden war? Heinrich hatte sich zunehmend isoliert gefühlt, auch die Rituale unter den Rekruten waren ihm zuwider gewesen. Er musste hier raus. Wegen eines Kropfleidens wurde er zunächst vorübergehend beurlaubt. Nachdem keine Besserung festzustellen gewesen war, hatte ihm der Arzt überraschend seine Entlassungsurkunde ausgestellt.

Zurück in Südtirol, meldete sich der mittlerweile 22-Jährige als Erstes zur Fahrprüfung an. Im dritten Anlauf klappte es endlich. Heinrich, der seit jeher ein Faible für Technik und Fahrzeuge aller Art hatte, kam zu einer ganz eigenen Erklärung für sein Scheitern. Die ersten beiden Male war er in traditioneller Tracht erschienen, erst beim dritten Mal trug er einen schlichten Anzug. Dem italienischen Fahrprüfer hatte das offenbar deutlich besser gefallen.

Mit dem Führerschein in der Tasche begab sich Heinrich auf Arbeitssuche. Er wurde überraschend schnell fündig.



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